Leben und Arbeiten in Hamburg 2019 – Visions-Szenario

Von Teilnehmerinnen und Teilnehmern erstellte Reportage über „Leben und Arbeiten in Hamburg im Jahre 2019“. Grundlage war das von ihnen erarbeitete Visions-Szenario. Es entstand als Ergebnis einer Bildungsurlaubsverstaltung der Hamburger Volkshochschule. Auf die Präsentation des Trend-Szenarios und der Realisierungsstrategien wird verzichtet. Der Text ist gekürzt – Langfassung als .pdf-Datei


 

Souverän und verantwortungsbewußt – was den Menschen wertvoll ist

Wir treffen in Hamburg auf den Straßen, in den Cafes oder wo wir auch immer hingehen auf Menschen, die selbstbewusst und souverän wirken. Sie sind freundlich und offen gegenüber ihren Mitmenschen. Menschen anderer Kulturen und unterschiedlichen Alters oder auch sexueller Eigenart gehen wie selbstveständlich offen und locker miteinander um. Die persönlichen Eigenarten werden toleriert und geachtet, ja als anregend und bereichernd erlebt. […] Hamburg bietet so ein Bild des Reichtums im Miteinander von Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und mit vielfältigen Lebensstilen und kulturellen Einflüssen.
Aus diesem sozialen Reichtum schöpfen die Leute Anstösse für ihre eigene Entwicklung, als Wechselspiel mit der Entfaltung der Anderen.
[…]
Ebenso bewusst gehen die hamburger Bürgerinnen und Bürger mit der natürlichen Umwelt um. Der natürlichen Vielfalt von Tieren und Pflanzen in der Stadt, den gesunden Böden, den Gewässern und der Luft schenken sie viel Achtung. Die Menschen pflegen den natürlichen Reichtum ihrer Stadt sorgfältig und liebevoll.
Wohlstand und Lebensqualität bedeutet für die Hamburger Bürgerinnen und Bürger eben ein gesundes und erfülltes Leben zu genießen. Sie wollen die eigenen Talente und Fähigkeiten ausprobieren und entwickeln, kreativ sein und immer wieder neue Erfahrungen machen. […] Übermäßiger materieller Luxus, große Geldvermögen oder persönliche Macht über Andere üben offensichtlich keinen so wichtigen Reiz auf die Menschen in Hamburg aus.

Lebenskünstler/-innen – soziales Engagement und Wohlergehen

Die Menschen erfüllen ihr Leben in einer Vielzahl unterschiedlichster Aktivitäten. Es ist aufregend zu sehen, wie die Menschen ihre vielfältigen Tätigkeiten wie selbstverständlich selbst bestimmen und aufeinander abstimmen. Sie stellen allein oder in Teams Produkte und Servicedienstleistungen her, sie treiben Sport oder lesen und erholen sich. […]

Die Menschen in Hamburg verbringen auch viel Zeit für soziales Engagement. Sie helfen sich gegenseitig, wenn notwendig und gewünscht. Ebenso gibt es zahlreiche Initiativen, die Kontakte zu Menschen in anderen Ländern mit schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen aufbauen und die dortigen Projekte unterstützen. […]

Wer sich verletzt hat, eine Grippe bekommt oder aus anderem Grund medizinisch-pflegerische Unterstützung braucht, wird nur so kurz wie nötig im Gesundheitszentrum des eigenen Stadtteils versorgt. […]

Politisches Engagement und dezentrale Partizipation

Die Menschen in Hamburg finden sich immer zu Gesprächen auf der Straße, auf dem Markt, im Laden oder sonst wo bereit, wenn es um Fragen des Zusammenlebens und der politischen Gestaltung geht. Die Bürger/-innen haben großes Interesse an ihrer Umwelt, informieren sich, diskutieren und entscheiden mit. Sie engagieren sich in Umweltprojekten oder in Organisationen zur Unterstützung von Menschen und Gemeinden in anderen Teilen der Welt.
Gemeinsame Probleme in einem Viertel oder übergreifende politische Fragen besprechen und entscheiden die Bürgerinnen und Bürger in ihren Stadtteilforen. […]

Für schwierige und weiterhin strittige Fragen werden Konsensgruppen gebildet und mit der Entwicklung einer gemeinsam tragfähigen Lösung beauftragt. […]

Auch für Fragen der Wohnanlagen gibt es Foren der Wohngenossenschaften, etwa wenn über die Erprobung und die Pflege neuer Schilfkläranlagen, über die Installation neuer Windenergieturbinen auf den Dächern oder die Umgestaltung der Erholungsräume in einer Wohnanlage zu entscheiden ist.

Sich ein Leben lang entfalten

Für die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs ist es inzwischen selbstverständlich, sich ihr ganzes Leben hinweg auf neue Situationen und Mitmenschen einzustellen, sich neues Wissen und Methoden anzueignen, Fachwissen in einen allgemeinen Zusammenhang und in die Praxis einzubinden und kreativ mit neuen Ideen zu experimentieren. Die Zeit dafür nehmen sie sich und sie genießen das als Herausforderung, als immer wieder neue Anregung für ihre eigene Entwicklung. Es macht ihnen Spaß allein oder mit anderen zu lernen. Neues zu erfahren, altbekannte Dinge aus einer neuen Sicht wahrzunehmen, die praktischen Fertigkeiten zu erweitern und auch anderen das eigene Können und Wissen zu vermitteln.
Kinder und Jugendliche wachsen in ihren Lebensgemeinschaften, in der Nachbarschaft und wo immer sie am alltäglichen Leben teilnehmen in einem Klima von Geborgenheit und sozialer Wärme, aber auch von Achtung seitens der Erwachsenen und großen Freiräumen der Eigenständigkeit auf.

Persönliche Zeitsouveränität – Zwischen unterschiedlichen Tätigkeiten wechseln und mit Zeitkonten haushalten

Das Leben der Menschen in Hamburg ist sehr abwechslungsreich. Jeder und jede hat die Möglichkeit, sich selbstbestimmt Tätigkeiten und Aktivitäten auszusuchen und die eigene Zeit danach einzuteilen.
Man kann zum Beispiel eine Zeitlang in einer Dienstleistungsorganisation oder einem Produktionsbetrieb tätig sein, an einem Bauprojekt mitwirken, eine Bildungsphase einschieben, sich in neue Tätigkeitsfelder einlernen und bei Bedarf in eine entsprechende Einrichtung oder Produktionsorganisation wechseln. sich um sein Baby oder Kind kümmern, wieder für einige Zeit in einem Beruf tätig sein und Zeiten der persönlichen Muße einlegen. Die Übergänge zwischen produzierenden oder dienstleistenden Tätigkeiten und dem privatem Leben, Lernen sowie die Übergänge zwischen verschiedenen Tätigkeitsfeldern sind insofern durchlässig für die Wünsche und Anforderungen der Einzelnen gehalten.

Dass das möglich ist und die Menschen sich dabei keine Sorgen um ihr Auskommen machen müssen, liegt an der Einrichtung flexibler Lebenszeitkonten für die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs und der Preisbildung von Gütern und Serviceleistungen nach Zeitkontingenten. Jeder und jede hat ein eigenes Zeitkonto, mit einem Grundsockel von 20.000 Stunden. Das reicht für die beständige Auszahlung ihres Grundeinkommens auch in den Zeiten, wenn sie gerade keiner Tätigkeit nachgehen, für die es weitere Zeitpunkte gibt. Für welche Tätigkeiten Zeitpunkte auf dem Konto gutgeschrieben werden können, wird gemeinschaftlich über Stadtteilforen beraten und festgelegt. […]
Es werden entsprechende Einigungen über Zusatzpunkte für wenig geliebte, mühsame, schmutzige und gefährlichere Arbeiten erzielt. Wer also für Reisen oder andere teure Bedürfnisse mal etwas mehr Geld benötigt, kann darüber Zusatzpunkte sammeln.
[…]

Ökologisch und gemeinschaftsorientiert wirtschaften

In Hamburg gibt zahlreiche Organisationen mit unterschiedlichsten Angeboten, Organisationsformen und -größen oder auch Einzelhersteller und -anbieter. Manche bestehen langfristig, andere werden nur für ein bestimmtes Projekt geschaffen.
Zentrales Leitbild der Menschen, die in Hamburg wirtschaften, ist es, ein Produkt oder eine Dienstleistung nach umwelt- und sozialvertraglich und bestmöglich entsprechend den Bedürfnissen der Nutzer/-innen/Kunden/innen zu entwickeln, herzustellen und zu vertreiben. […]

Jeder Anbieter übernimmt die Verantwortung für soziale oder ökologische Schäden durch seine Produkte oder deren Herstellung weltweit. So ist die Ökobilanzierung und Sozialorientierung in den Organisationen eine Selbstverständlichkeit.
Bei jedem Produkt werden der Stoff- und Energieverbrauch, die Art, Menge und Eigenschaften etwaiger Schadstoffe sowie die Recyclingmöglichkeiten offengelegt. […]

Auch die Elbe kann heute wieder als Naherholungsraum genutzt werden und die Nordsee ist ebenfalls auf dem Weg der Genesung. Aber auch die verringerten Unfälle und Umweltkrankheiten der Hamburger Bürgerinnen und Bürger sprechen dazu eine deutliche Sprache. Für Besucher/-innen und Kinder sind die Veränderungen der letzten 15 Jahre in einer eindrucksvollen Ausstellung zu besichtigen.

Gemeinsam schaffen in flexiblen Teams und Netzwerken

Die große Stärke der Hamburger Wirtschaftsorganisationen liegt vor allem in der Flexibilität ihrer Organisationsstrukturen sowie in den vielfältigen Kenntnissen, Fertigkeiten und der Lernfreude der Hamburger. Starre, hierarchisch gegliederte Organisationsstrukturen sind Schnee von gestern. […]

Immer wieder treffen sich die Teams zu Besprechungen und klären Fragen und Probleme. Aus den verschiedenen Erfahrungen, Kenntnissen, Fertigkeiten und Meinungen entstehen kreative Ideen und Lösungswege. Mit neuen Einfällen kann experimentiert werden, auch wenn sie nicht unbedingt Erfolg versprechen. […]
Aber auch Interessenkonflikte gibt es immer wieder. Sie werden in den Teamsitzungen besprochen, meistens wenn die Arbeitzeitinteressen der Einzelnen zusammen nicht mit dem Projektablauf zusammenpassen. In gemeinsamen Besprechungen werden hierfür Lösungen gefunden, mit denen dann alle einverstanden sein können.
Natürlich lassen sich viele Projekte, ob der Bau eines Tidehubkraftwerkes, von neuen Systemen des öffentlichen Nahverkehrs, die Vorbereitung und Betreuung von Kongressen oder die Organisation und Durchführung von Stadtteilfesten, nicht von einzelnen Teams bewerkstelligen. In solchen Fällen schließen sich Teams aus ein und derselben Organisation oder auch von mehreren Organisationen zu „Projektnetzwerken“ zusammen. […]

In Menschen, Umwelt und Wandlungsfähigkeit investieren

Was Produktionsorganisationen und Dienstleistungseinrichtungen erwirtschaften wird größtenteils in ökologische und soziale Qualitätsverbesserung ihrer Produkte, gesündere Räumlichkeiten und Anlagen investiert. Finanziert werden auch die Betreuung der Kinder von Organisationsmitgliedern, die diese mitbringen. Neben der Projekttätigkeit können so die Eltern mit ihren Kindern zusammen sein und die Kinder können dort ihre vieles erfahren und lernen. […]

Was sollen die Betriebe oder Genossenschaften auch sonst mit ihrem Geld machen, da Spekulationsgewinne schon seit längerem sehr hoch besteuert werden, nachdem unter der Führung der UNO endlich eine internationale Regelung zur einheitlichen „Spekulationsbesteuerung“ in Zusammenhang mit internationalen Strukturausgleichsfonds gefunden werden konnte. Und mit Grund und Boden lässt sich heute ebenso wenig noch spekulieren, seit der Festschreibung des Gemeineigentums von Grund und Boden in der Verfassung. Der sinnvollste Einsatz der Gewinne einer Organisation ist also ohnehin die finanziellen Ressourcen in die größtmögliche eigene Flexibilität bei immer wieder neuen gesellschaftlichen Ansprüchen an Qualität und Umweltverträglichkeit zu stecken. Nur so ist eine langfristige Existenz zu sichern.

Für bemerkenswerte umwelt- und sozialverträgliche Produkt- und Verfahrensinnovationen vergibt ein Rat der Hamburger Bürgerinnen und Bürger das international anerkannte Gütesiegel „Made in Hamburg“. Es hat inzwischen einen Weltruf in Bezug auf ökologische Innovationen erlangt, so dass dieses Hamburger Gütesiegel ein weltweit bekanntes Markenzeichen für sozial- und umweltverträgliches Wirtschaften und Innovation ist. […]
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Eine wirtschaftpolitische Agentur im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Hamburg hält Kontakt zu den Anbietern und Städten in anderen Ländern, mit denen Hamburg wirtschaftlichen und kulturellen Austausch pflegt. Sie achtet dabei auf die Einhaltung fairer Tauschkriterien. Dazu werden bei der Berechnung der Zeitwerte eines Produkts die höheren Zeitbedarfe aufgrund geringerer Produktivitätsbedingungen in einer anderen Weltregion gegengerechnet.
Langfassung des Szenarios als pdf-Datei.




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