Leben und Arbeiten im Jahre 2010 – Visions-Szenario

Das Visions-Szenario entstand im Rahmen eines partizipativen Organisations- und Personal-

entwicklungsprojektes in einer Landesverwaltung. An der Entwicklung beteiligten sich 15 Arbeitsgruppen. Das Visions-Szenario diente als Orientierung für den Veränderungs- bzw. Modernisierungsprozess und für das Leitbild dieser Verwaltung. Nachfolgend ein Protokollauszug

> Arbeit als Selbstentfaltung
> Gesellschaftliches Leben
> Öffentlicher Dienst

Arbeit als Selbstentfaltung

Die Menschen verstehen jede Form von Arbeit als Beitrag zu ihrer Persönlichkeitsentfaltung, weil sie in den Arbeitsprozessen ihre Fähigkeiten und Neigungen fördern und sie sich auch entsprechend entfalten können. Dies gilt besonders für die Aufgaben und Tätigkeiten, die man gerne macht, weil man sich mit den Zielen und Inhalten identifiziert.
Dank der Gleichwertigkeit von praktischem und theoretischem Wissen werden viele Aufgaben und Tätigkeiten nicht zergliedert, sondern ganzheitlich erledigt.

Aber auch Dienstleistungen bzw. Tätigkeiten, die weniger angenehm sind, die aber notwendigerweise anfallen oder die noch nicht vollkommen technisierbar sind, werden ausgeführt, ohne daß dabei Last oder Zwang empfunden wird.

Die Einsicht in soziale, ökonomische und ökologische Anforderungen und Notwendigkeiten ist Teil der menschlichen Souveränität.

Als besondere Seite der Lebensqualität gilt der umfassende Einsatz und das Einbringen seiner Fähigkeiten und Kompetenzen sowie deren weitere Entwicklung. Die immateriellen Aspekte, wie z. B. Sinnhaftigkeit des Tuns, Verbinden von geistigen und sinnlichen Elementen, haben gegenüber materiellen Dimensionen eine größere Bedeutung. Dies ist möglich, weil für alle eine soziale Grundsicherung besteht.

Gesellschaftliche Arbeit

Die gesellschaftliche Arbeit ist in Form von überschaubaren Pools organisiert. Die arbeitsfähigen und arbeitswilligen Menschen bestimmen dabei jeweils ihren quantitativen Einsatz selbst, d. h. sowohl der Umfang der von ihnen zu leistenden Arbeit als auch die Zeitdauer ihres Arbeitseinsatzes obliegen ihrer persönlichen Disposition – in Absprache mit dem anderen. Die erforderliche Abwägung zwischen den persönlichen Bedürfnissen und den Anforderungen von seiten der Auftraggeber, Kunden, Arbeitspartner/
-innen, etc. wird verantwortungsbewußt vorgenommen.
[…]

Individuelle Arbeitszeit

Ihre Arbeitszeit organisieren die Menschen so, daß ihre individuellen und sozialen Bedürfnisse (z. B. im Zusammenhang mit ihrer Lebensplanung) und die gesellschaftlichen bzw. betrieblichen, aber auch teambezogenen sowie kundenseitigen Anforderungen harmonisieren. Die damit zusammenhängenden räumlichen, zeitlichen und organisatorischen Angelegenheiten regeln sie eigenverantwortlich und selbständig.
Eine Unterscheidung zwischen Arbeit und Freizeit bzw. zwischen Arbeit und Leben ist unbekannt. Die Menschen integrieren die Erledigung von Aufgaben und Tätigkeiten harmonisch in ihre Lebensgestaltung bzw. Freizeitgestaltung.
Eine äußerst flexible Organisation garantiert die termingerechte und kundenbezogene Aufgabenerledigung bzw. Sicherung der Ergebnisse.
[…]

Gesellschaftliches Leben

Für die Menschen ist der Begriff „Solidargemeinschaft“ keine Worthülse, sondern gelebte Wirklichkeit bzw. tägliche Anstrengung, sie ein Stück mehr zu verwirklichen.
Besonders im Zusammenleben der Menschen werden die gesellschaftlichen als auch individuellen Wertvorstellungen spürbar und sichtbar gelebt. So ist beispielsweise das Verhältnis zwischen den Generationen besonders von Solidarität und Respekt gekennzeichnet. Kinder genießen eine besondere Anerkennung und Förderung.

Viele ältere Menschen bleiben freiwillig so lange für Aufgaben der Existenzsicherung aktiv, wie sie es für sich verantworten können.
Männer und Frauen akzeptieren sich in ihren Persönlichkeiten und Eigenheiten, nicht aber als Träger von Rollen. Deshalb gibt es sowohl im Alltags- als auch Berufsleben keine geschlechtsspezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten. Von daher werden sehr viele Aufgaben auch gemeinschaftlich gelöst (z .B. Hausarbeit, Kindererziehung, Pflegedienste, etc.). Begünstigt wird dieser gesellschaftliche Zustand durch das selbstorganisierte und solidarische Zusammenwirken von Familien und von anderen Wohn- und Lebensgemeinschaften als eine Art Nachbarschaftshilfe.

Die Familie wie auch größere Gemeinschaften sind der wesentliche Hort der Förderung der Individualität durch Persönlichkeitsbildung, die sich durch verantwortungsbewußtes Denken und Handeln gegenüber der sozialen und natürliche Umwelt auszeichnet. Die Familien werden in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben von gesellschaftlichen Institutionen – z. B. Schule, Betrieben, sozialen Einrichtungen, etc. – unterstützt.
Die Familie ist im Prinzip eine offene Gemeinschaft, in der verschiedene Personen für die Bewältigung einer bestimmten Aufgabe oder zur Erreichung eines bestimmten Zieles (z. B. Kindererziehung) zusammenarbeiten, wobei dies auch zeitlich befristet werden kann. Es gibt aber auch andere Formen von Lebensgemeinschaften, die sich jeweils als frei assoziierte Zusammenschlüsse bilden.

Die soziale Verantwortung der Menschen zeigt sich auch im Umgang mit der Hilfe bedürftiger Mitmenschen. Ihnen gewährt man nicht nur materielle Hilfe, die von bestimmten sozialen Service-Einrichtungen geleistet wird. Die Menschen begegnen ihnen auch menschlich und versuchen sie in die Gemeinschaft zu integrieren.

Das Zusammenleben der Menschen erfährt durch die Vielfältigkeit von kulturellen Aspekten eine besondere Lebendigkeit. Der unvoreingenommene Umgang mit Menschen aus verschiedenen Kulturen erlaubt deren Identitätswahrung und wird als Beitrag zur Gestaltung der weltoffenen Gesellschaft verstanden. Aufgrund dessen sind sich die Menschen einander nicht fremd.
[…]

Öffentlicher Dienst

Für Aufgaben und Angelegenheiten, die zur Gestaltung der Rahmenbedingungen für die gesellschaftliche Vorsorge notwendig sind (z. B. Ressourcenplanung, Fächennutzung, etc.) sowie für soziale Leistungen im Rahmen individueller Hilfeleistungen (z. B. Ausgleich für soziale Benachteiligung) als auch von Schutz (z. B. vor körperlicher Beeinträchtigung am Arbeitsplatz, vor Seuchen, etc.) ist der Öffentliche Dienst eine gesellschaftlich anerkannte und leistungsfähige Einrichtung. Dies ist möglich, weil sich der Öffentliche Dienst als wettbewerbsfähig etablierte. Deshalb konnte er in der Vergangenheit immer wieder neue Leistungen anbieten, ohne daß dadurch die gesellschaftlichen Aufwendungen wesentlich gestiegen sind. Darüber hinaus wurde er zunehmend zum kompetenten Berater für den sozialverträglichen und ökologieorientierten Umbau der industriellen Produktion.

Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst erbringen ihre Dienstleistungen – von der Beratung und Sachbearbeitung bis zur Hilfe und Intervention – in bürger- bzw. kundennahen Einrichtungen.
Wer im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, zeichnet sich durch eine breite und fundierte Qualifikation aus. Sie ermöglicht eine schnelle, komplette und ggf. fachübergreifende Aufgabenerledigung.
[…]

Service-Einheiten für soziale Aufgaben

Diese Einrichtungen sind leistungsstarke und effizient arbeitende Organisationseinheiten, die als „Soziale Leistungscenter“ bezeichnet werden und die aufgrund ihrer hervorragenden Kompetenzen sowie ihres sozialorientierten und kundenbezogenen Dienstleistungsverständnisses bei der Bevölkerung und auch bei den politisch Verantwortlichen eine hohe Akzeptanz genießen und ein sehr gutes Image haben. Sie bieten für alle Sozialleistungen ihre Dienste an.

Die Gesamtorganisation ist der bedeutendste Träger sozialstaatlicher Leistungen resp. sozialer Dienstleistungen. Ihr Verhältnis zu Wettbewerbern ist von einer „Partnerschaftsethik“ bestimmt.

Das Selbstverständnis

Das Selbstverständnis der Gesamtorganisation orientiert sich an der Ethik der Menschlichkeit.
Mit ihren sozialen Service-Einheiten bietet und leistet sie umfassende und vielfältige soziale „Dienstleistungen“ für die Gesellschaft. Sie gestaltet damit das gesellschaftliche Leben im Sozialbereich entscheidend mit.
Ihre Bürgernähe gestalten die einzelnen Leistungscenters beinahe absolut. So sind sie für die Bürgerinnen und Bürger leicht und schnell erreichbar. Durch ihre Bürgernähe kennen sie die Bedürfnisse und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sehr genau und orientieren ihre Dienstleistungen dem entsprechend immer wieder neu. […]

Das Leistungsprofil

Das Spektrum der Aufgaben und Leistungen reicht von der individuellen Hilfe über die Betreuung und Beratung bis hin zum aktiven Mitgestalten sozialer und sozio-kultureller Rahmenbedingungen.
Besondere Kompetenzen hat die Einrichtung bei der ’sozialen Daseinsvorsorge‘ und bei präventiven Leistungen in verschiedenen Bereichen der Arbeits- und Lebensgestaltung.
Prinzipiell werden die Aufgaben und Projekte ganzheitlich behandelt und effektiv bearbeitet. Soweit möglich, erfolgt die Bearbeitung und Entscheidung von Vorgängen oder Anträgen in einer Hand.
Die umfassende Kompetenz der Beschäftigten und ihre hervorragende Leistungsqualität gelten als die wesentlichen Faktoren für das erfolgreiche Zusammenwirken mit den Bürgerinnen und Bürger reps. den Kundinnen und Kunden. Grundlage ist ein ständiger Dialog, den die Gesamtorganisation mit ihrem sozialen Umfeld organisiert.
Durch Kooperation mit anderen Einrichtungen und Institutionen ist die Gesamtorganisation in der Lage, immer wieder neue Leistungsbereiche für die Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln oder durch Zusammenwirken mit Partnern Leistungen effektiver zu gestalten, um so sozialstaatliche Aufgaben möglichst wirtschaftlich erfüllen zu können. […]

Das Personal

Prinzipiell gibt es keine „Mit-„arbeiterinnen/Mitarbeiter, sondern selbständig handelnde, bewußt und zielorientiert operierende, verantwortungsbewußte Menschen, die – je nach Aufgabenstellung und persönlicher Befindlichkeit – entweder in selbststeuernden Teams oder selbständig arbeiten.
Für ihre Aufgaben sind sie umfassend qualifiziert. Professionelles und fachübergreifendes Wissen und soziale Kompetenz zeichnen sie aus. So ist auch das Beherrschen von Fremdsprachen für fast alle Beschäftigten die Regel.

Bezüglich der Sozialstruktur der Belegschaft achten die Beschäftigten und die Führung darauf, daß sie möglichst ein Abbild der Gesamtbevölkerungsstruktur darstellt. Die Merkmale beziehen sich dabei nicht nur auf das Verhältnis von Männern und Frauen, sondern auch auf Aspekte wie Alterstruktur, Anteil von Leistungsgeminderten, Auszubildenden, Ausländer etc.
Die miteinander arbeitenden Männer und Frauen respektieren sich gegenseitig in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfältigkeit und fördern sich gegenseitig. Ihr Verhältnis zueinander ist von positivem Interesse an der Verschiedenheit und natürlicher Geschlechtlichkeit geprägt.

Eine gute Ausbildung und eine ständige Fort- und Weiterbildung bildet die Basis für das souveräne Handeln der Beschäftigten. Um die Aneignung immer neuen Praxiswissens und von Spezialkenntnissen zu ermöglichen, organisieren die daran Interessierten selbständig ein ‚Rotationsverfahren‘, so daß sie immer mehr in der Lage sind, sehr viele unterschiedliche Aufgaben zu bearbeiten. Dies empfinden sie als motivierend und abwechslungsreich. Gleichzeitig steigt ihre berufliche Flexibilität, was sich wiederum als wesentlicher Faktor der Leistungsfähigkeit der gesamten Einrichtung erweist.

Flexibel sind viele Beschäftigte auch bei der Gestaltung ihrer Lebensarbeitszeit. So gibt es beispielsweise einen ‚gleitenden‘ oder ’sanften‘ Übergang zur Rente, wobei die Altersgrenze flexibel gehandhabt wird – entsprechend der jeweiligen Leistungsfähigkeit und Arbeitslust.
Aber auch bezüglich der Arbeitszeitgestaltung herrscht Flexibilität und Einsicht. Die Berücksichtigung z. B. der familiären Situation oder die individuelle Gestaltung bestimmter Lebensabschnitte ist komplikationslos.

Insgesamt gelingt es den Beschäftigten, ein menschliches Betriebsklima zu schaffen. Ehrlicher, verständnis- und vertrauensvoller Umgang untereinander und gleichberechtigtes Mitwirken bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen, auch bei der Entwicklung von Projekten sind Grundlage dieser Situation.
Das Verhältnis zwischen den Beschäftigten bzw. den Team-Mitgliedern und den Führungskräften ist geprägt von Partnerschaft und Kooperation. Hinzu kommt ein besonderes Dienstleistungsverständnis. Es äußert sich z. B. darin, daß die Führungskräfte für optimale Arbeitsbedingungen sorgen, alle notwendigen Informationen und Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung stellen, die Inhalte und Organisation von Projekten gemeinsam besprechen sowie offene Kommunikationsprozesse organisieren und/ oder moderieren. […]
Zur Sicherung der Qualität der Arbeitsergebnisse vereinbaren die Führungskräfte mit den Teams bestimmte Leistungsziele, soweit dies die Teams nicht für sich selbst machen, kontrollieren dann die jeweilige Zielerreichung und helfen bei Schwierigkeiten. Dabei pflegen alle Beteiligten das Partnerschaftsprinzip. Werden z. B. negative Abweichungen erkannt oder ist ein Sinken des Qualitätsniveaus bemerkbar, erarbeitet man gemeinsam Lösungen statt penetranter Fehlerverfolgung.

Das Partnerschaftsprinzip äußert sich auch im Beurteilungswesen. So sind die Beurteilungsaspekte und -parameter allen Beteiligten bekannt und somit auch nachvollziehbar. […] beurteilen sich die Beschäftigten gegenseitig, d. h. Führungskräfte beurteilen die jeweiligen Team-Mitglieder – umgekehrt beurteilen die einzelnen Team-Mitglieder die jeweilige Führungsperson.
In der Regel werden Führungsaufgaben nur auf Zeit – meist an die Laufzeit von Projekten oder konkreten Aufträgen gekoppelt – wahrgenommen. […]
Im Rahmen der beratenden Leistungserbringungen sind besonders qualifizierte Führungspersonen Ansprechpartner für Verbände und Organisationen. Darüber hinaus sind sie mit ihren Teams auch kompetente Gesprächspartner politischer Entscheidungsträger und administrativer Stellen, um Gesetze praktikabel und ihre Anwendung wirtschaftlich zu gestalten. […]




Zurück